Interview auf Welt.de:
Der Immobilientausch ist ein neues Geschäftsmodell der Maklerbranche. Senioren, die ihr Eigenheim gegen eine Wohnung wechseln wollen, sollen mit jungen Familien zusammengebracht werden, die ein Häuschen im Grünen suchen. Die Idee ist gut, die Umsetzung bislang jedoch schwierig
Alles begann mit einer Familie, der die Eigentumswohnung im Hamburger Stadtteil Ottensen zu klein geworden war und deshalb ein Eigenheim suchte. Allerdings wollten sie ihre Wohnung nicht sofort zum Verkauf stellen. „Sie suchten einen reibungslosen Übergang und hofften, dass wir ihnen ein passendes Haus im Grünen und zugleich einen Käufer für ihr bisheriges Wohneigentum präsentieren können“, sagt Dirk Wullkopf, Geschäftsführer von Wullkopf & Eckelmann Immobilien in der Hansestadt. Ein paar Wochen später war der Deal perfekt.
„Ein älterer Herr sprach uns an, der sich von seinem Haus trennen wollte, um zentraler in der Stadt zu wohnen“, sagt der Immobilienvermittler. Der Rentner wollte jedoch ebenfalls den Kauf der neuen Wohnung und den Verkauf seines Eigenheims zusammen abgewickelt wissen. Der Makler brachte beide Parteien zusammen. Die Familie verkaufte ihre Wohnung an den Senior – und der im Gegenzug sein Haus an sie. Es war für Wullkopf der Beginn einer neuen Geschäftsidee: Immobilientausch.
Dieselbe Erfahrung wie der Hamburger Immobilienvermittler haben auch zahlreiche andere Makler in Deutschland gemacht. „Vielen älteren Menschen ist das vor 30 oder 40 Jahren erworbene Eigenheim im Grünen zu groß und zur Last geworden“, sagt Günther Strehle, Inhaber des Immobilienvermittlers Das Maklerteam im oberbayerischen Landsberg. Zu viele Zimmer müssen geputzt, der große Garten gepflegt werden. Lassen dann auch noch das Augenlicht und die Reaktionsfähigkeit nach, werden selbst die Fahrten mit dem Auto zum Einkaufen zur Qual. „Etliche Rentner wollen deshalb ihr Haus verkaufen und in eine seniorengerechte Wohnung in zentraler Stadtlage wechseln“, sagt Strehle, der wie Wullkopf den Immobilientausch als neues Geschäftsfeld entdeckt hat.
Was den Immobilientausch vom klassischen Verkauf eines Hauses oder einer Eigentumswohnung unterscheidet: Der Makler muss nicht nur für ein Objekt einen Käufer finden – sondern auch einen Abnehmer für die Immobilie, die der Erwerber bislang nutzt. Vor allem ältere Besitzer von Eigenheimen pochen darauf, dass der Immobilienvermittler ihnen nicht nur eine seniorengerechte Wohnung verschafft, sondern zugleich auch einen Abnehmer für ihr altes Haus. Ein wesentlicher Grund dafür sind die neuen Kreditrichtlinien der EU und des Basler Ausschusses der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die quasi als Zentralbank der Zentralbanken für Stabilität im weltweiten Finanzwesen sorgen soll. Die Kreditrichtlinien wurden nach der Finanzkrise verschärft, um neuerliche Exzesse bei der Vergabe von Hypothekendarlehen zu verhindern.
„Für Senioren hat dies zur Folge, dass Banken ihnen kaum noch Hypothekendarlehen gewähren, selbst wenn sie ihr altes Eigenheim als Sicherheit stellen wollen“, sagt Strehle. Denn die neuen Richtlinien schreiben unter anderem vor, dass Banken Immobiliendarlehen nur dann ausreichen dürfen, wenn sichergestellt ist, dass der Kreditnehmer den aufgenommenen Finanzierungsbetrag bis zu seinem Lebensende aus seinen laufenden Erträgen tilgen kann. Da dabei allein die monatlichen Einkünfte – und nicht der voraussichtliche Erlös aus dem Verkauf des Eigenheims – zugrunde gelegt werden sollen, reichen die meisten Banken keine Hypothekendarlehen an Rentner aus.
„Die Senioren können deshalb erst dann in eine Eigentumswohnung wechseln, wenn sie einen Käufer für ihr Haus gefunden haben“, sagt Strehle. Doch dabei taucht ein weiteres Problem auf: Ist ein Erwerber für das Eigenheim gefunden, ist nicht unbedingt eine passende Wohnung für die Rentner am Markt vorhanden. „Die zeitliche Abstimmung ist sehr schwierig“, sagt Strehle.
Allerdings gibt es auch etliche junge Familien, die eine Eigentumswohnung in der Stadt besitzen, die ihnen zu klein geworden ist. „Häufig haben Eltern ihren Kindern beim Einstieg in den Beruf eine Zwei-Zimmer-Eigentumswohnung geschenkt oder ihnen bei deren Kauf finanziell unter die Arme gegriffen“, sagt Dennis Marzahn vom Augsburger Maklerbüro Wettengl Immobilien, das ebenfalls den Immobilientausch anbietet. „Die Wohnung wird aber schnell zu klein, wenn sich nach der Heirat Nachwuchs ankündigt.“ Die jungen Familien suchen dann meist ein Eigenheim mit Garten am Stadtrand. „Sie wollen aber erst zum Kauf schreiten, wenn sie ihre Eigentumswohnung veräußert haben“, sagt Marzahn.
Zum einen erhalten sie ohne den Erlös aus dem Verkauf der Wohnung häufig keine Finanzierung für den Erwerb des Eigenheims, weil sie keine weiteren Eigenkapitalreserven haben. Zum anderen wollen sie sich aber nicht von der Wohnung trennen, wenn sie nicht sofort in ein passendes Haus ziehen können. „Zwischenzeitlich eine größere Wohnung anzumieten und danach erst einmal ein passendes Eigenheim zu suchen, ist für sie meist keine Lösung“, sagt Marzahn. Denn in diesem Fall müssten sie doppelten Umzugsstress auf sich nehmen. Zudem wäre es für die Kinder belastend, sich zweimal in eine neue Wohnsituation einfinden zu müssen und immer wieder neue Freundschaften zu schließen.
Da sowohl die älteren Hauseigentümer als auch die jungen Eigentumswohnungsbesitzer ihre jeweilige Immobilie erst verkaufen wollten, wenn sie etwas Passendes für sich gefunden haben, sei ein „Immobilientausch für beide Gruppen eine attraktive Lösung“, sagt Rüdiger Grimmert, Sprecher der zur Postbank gehörenden Bausparkasse BHW, der den neuen Trend interessiert beobachtet. Auch für die Länder und Kommunen sowie die finanzierenden Banken und Bausparkassen sind diese Tauschgeschäfte interessant. „Bei einem Immobilientausch handelt es sich faktisch um zwei Objektkäufe, bei denen alle Kosten wie Grunderwerbsteuer und Notargebühren anfallen“, sagt Grimmert. Das spült Grunderwerbsteuereinnahmen in die Kasse der Länder, von denen ein Teil häufig an die jeweiligen Kommunen weiterfließt. Immobilienfinanzierer wiederum profitieren, weil die älteren Eigenheime der Senioren meist modernisierungsbedürftig sind. Die jungen Familien, die sie erwerben, benötigen deshalb in der Regel einen Kredit, um die Häuser auf Vordermann zu bringen.
Allerdings ist es nicht einfach, ältere Hausbesitzer und jüngere Wohnungseigentümer zu einem Immobilientausch zusammenzuführen. „Das Problem beginnt damit, dass die meisten Senioren möglichst in der Nähe ihrer Freunde und Bekannten wohnen wollen“, sagt Wullkopf. „Wer sein Haus am Südrand Hamburgs aufgeben möchte, will nicht in ein Quartier im Norden der Hansestadt ziehen, sondern sucht eine passende Wohnung nahe seinem bisherigen Standort.“ Doch nicht immer finde sich genau dort eine junge Familie, die ihre Wohnung gegen ein Haus tauschen wolle. „Bis ein Matching zustande kommt, kann sehr viel Zeit vergehen“, sagt der Makler.
Häufig kommt noch ein weiteres Problem hinzu, sagt Marzahn. „Viele Senioren überschätzen den Wert ihres Eigenheims.“ Die Häuser seien meist 30 oder 40 Jahre alt und hätten häufig einen hohen Modernisierungsbedarf. Das Dach müsse neu gedeckt, stärkere elektrische Leitungen verlegt und die Fußböden erneuert werden. Zudem entsprächen die braun-, dunkelgrün oder orangefarbenen Fliesen in den Badezimmern nicht gerade dem heutigen Geschmack. „Dennoch meinen manche Besitzer, dass ihr betagtes Haus so viel wert sei wie ein modernes Eigenheim“, sagt Marzahn. „Sie sind dann bitter enttäuscht, wenn wir ihnen mitteilen, dass ihre Preisvorstellung nicht der Realität entspricht.“
Schuld an den unrealistischen Wertvorstellungen seien auch „unseriöse Makler“, sagen die auf Immobilientauschgeschäfte spezialisierten Vermittler. „Sie versprechen den Eigentümern deutlich übertriebene Verkaufspreise, um einen einjährigen Maklerauftrag zu ergattern“, sagt Strehle. „Nach einiger Zeit sagen sie den Besitzern dann, dass sich der Markt gedreht habe und sie den Verkaufspreis deutlich reduzieren müssten.“ Bis dahin allerdings seien die Häuser zu deutlich überzogenen Angebotspreisen auf Internetportalen gelistet. „Viele ältere Besitzer lassen ihre Kinder im Internet nach Verkaufsofferten für vergleichbare Immobilien suchen und orientieren sich dann meist an den dabei gefundenen Höchstpreisen“, sagt Marzahn. „Dass diese Immobilien am Ende tatsächlich erst zu deutlich niedrigeren Beträgen einen Käufer finden, ist den älteren Menschen häufig schwer verständlich zu machen“, sagt Marzahn.
Bislang halten sich die Erfolge der Makler beim Immobilientausch denn auch in Grenzen. Spitzenreiter im Trio ist Strehle, der als Partner von Wüstenrot Immobilien im vergangenen Jahr 15 Tausch-Deals vermittelt hat. „Häufig waren dies aber Ring-Tausch-Geschäfte“, sagt Strehle. Für den Rentner, der sich von seinem Eigenheim trennen wollte, sei sowohl ein Käufer als auch eine passende Wohnung gefunden worden. „Dabei hat es sich aber in den meisten Fällen nicht um die frühere Eigentumswohnung des Hauserwerbers gehandelt“, so der Vermittler. Vielmehr sei für die Wohnung der jungen Familie eine dritte Person als Käufer gefunden worden.
Um solche komplizierten Geschäfte möglich zu machen, würden seine Mitarbeiter die genauen Interessen potenzieller Immobilienkäufer und -verkäufer exakt notieren. „Dann versuchen wir, daraus mögliche Tauschkonstellationen zu entwickeln“, sagt Strehle. „Um diese Arbeit künftig zu erleichtern, wollen wir nun eine digitale Schnittstelle für unsere Software schaffen.“ Das Programm solle anhand der Daten der einzelnen Interessenten automatisch potenzielle Tauschpartner herausfiltern können. „Wir stellen uns dabei eine Softwarelösung vor, die auch Tauschkonstellationen mit drei Partnern erkennen kann“, sagt Strehle.
Wobei in einigen Fällen für ältere verkaufswillige Besitzer von Eigenheimen nicht eine Eigentums-, sondern eine Mietwohnung gefunden werden muss. „Barrierefreie Eigentumswohnungen im Bestand sind rar“, sagt Strehle. Denn erst seit knapp zehn Jahren würden solche Objekte in größerem Stil gebaut. Doch die sind meist in fester Hand. „Neue seniorengerechte Eigentumswohnungen hingegen sind so teuer, dass sie sich viele Senioren mit dem Verkaufserlös aus ihrem Eigenheim nicht leisten können“, sagt der Makler. „In Landsberg, wie im gesamten Großraum München, sind die Preise für neue Eigentumswohnungen in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt um 120 Prozent gestiegen.“ Hingegen hätten die Marktwerte älterer freistehender Häuser in den ländlichen Regionen rund um die bayerische Landeshauptstadt in dieser Zeit nur um rund 50 bis 60 Prozent zugelegt. In mehreren Fällen haben Strehle und seine Mitarbeiter Senioren, die ihr Eigenheim verkauft haben, deshalb passend zum Zeitpunkt der Übergabe eine Mietwohnung vermittelt.
In Österreich wurde das Internetportal Immobilientausch.at gestartet. Darauf können tauschwillige Besitzer von Eigenheimen und Eigentumswohnungen ihre Immobilie inserieren und dabei genau angeben, wie sie sich ihr Wunschobjekt vorstellen – inklusive Standort, Lage, Größe und Ausstattungen. Peter-Georg Wagner, Researcher bei der Maklervereinigung Immobilienverband Deutschland, bezweifelt allerdings, dass eine solche Plattform viele Tauschgeschäfte generieren wird. „Viele Senioren sind nicht internetaffin genug, um sich dem Netz anzuvertrauen.“ Zudem bleibe das Problem bestehen, dass viele ältere Hausbesitzer den Wert ihrer Immobilie überschätzen würden, sagt Wagner. „Um einen fairen Tausch zu ermöglichen, müssten sich beide Interessenten auf einen unabhängigen Sachverständigen einigen, der den Wert ihrer beiden Immobilien ermittelt – und dann auch dessen Wertgutachten akzeptieren.“
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